Grenzenlose Waldwildnis – 165. Tag

Nebel auf dem Weg zum Gipfel

Der Rachelgipfel liegt auf 1360 Meter

Buchenau – Rachel (Waldschmidthaus) / 01.09.2010 / 165. Tag

Gestern Abend gab es ein unverhofftes Wiedersehen mit Jean-Pierre. Er übernachtete in der gleichen Pension wie ich. Kurze Zeit danach traf auch Klaus Ditl ein, der bereits in Bad Schandau einige Tage mit mir wanderte. Jean-Pierre und Klaus leben beide in Schwabach bei Nürnberg und müssen in die alte Dampfsäge nach Buchenau kommen, um sich kennen zu lernen.

Klaus will gemeinsam mit mir und Emma die Gipfel des Rachel und des Lusen erklimmen. Der Wettergott hat leider kein Einsehen. Als wir uns auf den Weg machen regnet es schon wieder.

Bis zur Trasse des Goldsteigs folgen wir dem Zubringerweg mit dem Zeichen der Pestwurz nach oben. Der Weg ist ausgezeichnet markiert. Die zuständigen Ranger des Nationalparks Bayerischer Wald haben die wichtigen Kreuzungspunkte mit Holztafeln gekennzeichnet und den Weg „unverlaufbar“ gemacht.

Der Nationalpark Bayerischer Wald wirbt mit dem Slogan „Grenzenlose Waldwildnis“. Um die Berge Falkenstein, Rachel und Lusen erstreckt sich entlang der Grenze zur Tschechischen Republik der erste Nationalpark Deutschlands. Zusammen mit dem angrenzenden Nationalpark Sumava in Tschechien ist der Nationalpark das größte Waldschutzgebiet Mitteleuropas. Auf verschiedenen Themenwegen kann die Wildnis beobachtet werden. So zum Beispiel am Hochwaldsteig am Lusen. Dort wo seit 1995 das zerstörerische Werk des Borkenkäfers am vollkommensten scheint, zeigt die Natur ihre Kraft. Zunehmend mehr junge Fichten, Vogelbeeren und Weiden keimen am Fuße der alten Baumstümpfe. Eine neue Waldgeneration wächst heran.

Je weiter wir nach oben kommen, je dichter wird der Nebel. Die Temperaturen fallen. Die Wanderwege sind zu kleinen Bächen geworden. Irgendwann läuft uns das Wasser von oben in die Schuhe. Oft haben wir gerade mal eine Sicht von 30 – 50 Metern. Von den Bergkuppen und Höhen des Bayerischen Waldes ist nichts zu sehen.

Die Hochmoore Zwieselter Filz und Latschenfilz durchqueren wir auf nassen, rutschigen Brettern. Wir jonglieren und balancieren wie Seiltänzer über die Stege. Selbst Emma kommt mächtig ins Schlittern. Einmal kann sie nicht mehr stoppen und rutscht von den Brettern ins nasse Moos. Auch rutsche mehrfach aus, aber irgendwie komme ich kurz vorm Fallen immer wieder zum Stehen. Mit Wandern hat dies wenig zu tun.

Auch auf dem Weg zum Rachel hat der Borkenkäfer ganze Arbeit geleistet. So weit das Auge reicht abgestorbene Baumstümpfe. Im Nebel wirken sie wie riesengroße Zahnstocher. Eine gespenstige, schaurigschöne Atmosphäre.

Das Waldschmidthaus unterhalb des Rachelgipfels liegt auf 1360 Meter. Es ist die erste Berghütte auf der ich während meiner Deutschlandumrundung übernachten werde. Hüttenwirt Kurt Eibl empfängt uns mit einem herzlichen Grüß Gott. Kurze Einweisung ins Hüttenleben, dann werden die Kleider trocken gelegt und die Schuhe mit Papier ausgestopft. Ich fürchte bei dieser Kälte werden sie morgen noch feucht sein. Mein Zimmer hat eine gefühlte Temperatur zwischen drei und fünf Grad. Ich ziehe mir alle trockenen Kleider an, die im Rucksack sind. In der warmen Hüttenstube, kuschelt sich Emma um den warmen Ofen und fängt zu träumen an. Der Hüttenabend kann beginnen.

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