Komm guat hoam – 174. Tag

Rudolf Schreiner an seinem gelben Eck

In Wernstein lockt ‚s gelbe Eck“ mit Topfenstrudel

Passau – Suben / 10.09.2010 / 174. Tag

Bereits zur Römerzeit war Passau Grenzstadt. Während die Donau das römische Reich von Germanien trennte, war der Inn nicht nur die Grenze zwischen den Provinzen Rätien und Norikum, sondern auch zwischen dem gallischen Zollbezirk und dem illyrischen Zollbezirk, der bis zum Schwarzen Meer reichte.
Bevor ich die ehemalige Grenzstadt verlasse, suche ich am Rathaus nach einem Briefkasten. Mit ausgestrecktem Arm kommt mir eine freundliche Passauerin entgegen, die mich lauthals begrüßt: „Ich hab‘ Sie heute Morgen in der Passauer Zeitung gesehen. Ich wünsche Ihnen für ihre Wanderung alles Gute“. Sie drückt mir die Hand und mit den Worten, ich habe einen Termin beim Friseur, verschwindet sie mit ihrem Dackel in den Gassen der Altstadt.
Elke Zanner von der Passauer Neuen Presse hat einen unterhaltsamen Beitrag über Emma und mich geschrieben. Die Zeitungsfrau in der Altstadt erkennt uns auch sofort, und wenig später begrüßt uns ein Radfahrer, der Emma ebenfalls aus der Zeitung erkennt.
Auf dem Marktplatz hinter dem Stephansdom herrscht geschäftiges Treiben. Bauern bieten frisches Gemüse und Obst an. Leider kann ich nichts einkaufen, in meinem Rucksack ist dafür kein Platz. Mit einem der Bauern komme ich ins Gespräch. „Alles frisch und alles ohne Spritzmittel“, preist er seine Waren an. Mit einem liebenswerten „Komm guat hoam“, verabschieden wir uns.
Ich verlasse Passau über den Innradweg nach Süden. Nach wenigen Kilometern führt der Weg über die Staustufe auf die andere Seite des Inns. Ab hier ist der Inn Grenzfluss zwischen Deutschland und Österreich. Auf österreichischer Seite setzte ich mit Emma meine Wanderung fort.
Am Innradweg informieren Tafeln über Lebensdaten und das künstlerische Schaffen von Alfred Kubin. Kubin wurde 1877 in Böhmen geboren. In Salzburg, Zell am See und Klagenfurt wuchs er auf, in München studierte er Kunst. 1901 bekam er seine erste Ausstellung. Er war befreundet mit vielen Künstlern seiner Zeit. Briefwechsel mit Franz Marc, Kandinsky, Paul Klee, Kokoschka, Kafka und Stefan Zweig zeugen davon. Ab 1906 lebte er mit seiner Frau Hedwig in Zwickledt, unweit von Wernstein. Für Jahrzehnte war die Gegend um Zwickledt eine geistige und kulturelle Hochburg. Kubins Werk umfasst über 2300 Illustrationen und Titelblattentwürfe für über 170 Bücher. 1911 wurde er Mitglied der Künstlervereinigung „Der Blaue Reiter“. 1951 verlieh man ihm den österreichischen Staatspreis.
In Wernstein lockt ‚s gelbe Eck“ mit Topfenstrudel und einem Haferl Kaffee zur Rast. Rudolf Schreiner betreibt mit seiner Frau ein Cafe genau am Brückenkopf. Ursprünglich war es nur Kiosk. Seit jedoch 2006 die Fußgängerbrücke eingeweiht wurde, kommen immer mehr Gäste von der anderen Seite des Inn und seine Nebenerwerbsbeschäftigung wurde zum Hauptberuf. Rudolf Schreiner träumt davon, einmal für längere Zeit mit einem Boot auf Tour zu gehen.
Als ich weiter wandern will, treffe ich auf Petra Niederquell und Herbert Thyssen. Beide sind für vierzehn Tage auf Fahrradtour. In Breisach, in der Nähe von Freiburg, hat ihre Firma eine Zweigniederlassung. Wenn ich in etwa sechs Wochen in der Region um Freiburg wandern werde, wollen wir uns zu einem gemütlichen Weinabend wieder sehen.
Nachmittags erreiche ich Suben am Inn. Das erste Teilstück Richtung Berchtesgaden ist geschafft. Im Biergarten des Gasthofes Labmayer warte ich auf meinen Sohn Benjamin. Benjamin wird mich die nächsten acht Tage zu Fuß begleiten.

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