Ich könnte weinen vor Glück
Ribnitz-Damgarten – Hohendorf / 28.06.2010 / 100. Tag
Das Deutsche Bernsteinmuseum im Kloster in Ribnitz ist mit über 1500 Exponaten die größte Bernsteinsammlung Europas. Die umfangreiche Sammlung gibt einen Einblick in die Naturgeschichte und Geologie des fossilen Harzes, sowie die Kunst- und Kulturgeschichte des Baltischen Bernsteins.
Nach dem Besuch der Ausstellung verlasse ich Ribnitz Richtung Osten. Bis Barth radele ich durch kleine verträumte Dörfer und ein großes Waldgebiet. Im Hafen von Barth mache ich Mittagsrast und esse meine erste „Rauchwurst“ frisch aus der Räucherkammer.
Es wird heiß an diesem Montag, aber der leichte Wind, der vom Meer herüberweht, lässt mich die Temperaturen nicht spüren. Die Fahrt von Barth nach Hohendorf ist eine Fahrt wie durch eine Bilderbuchlandschaft. Kaum ein Mensch ist zu sehen, keine Autos sind zu hören, nur ab und zu ein kleines Dorf mit wenigen Häusern. Und ich mitten drin. Ich genieße mit allen Sinnen. Mal hoppelt ein Hase vor mir her, mal sehe ich in die Augen eines jungen Rehbocks. Die Kühe auf den Weiden liegen träge in der Mittagssonne.
Wenn die Wildschwäne mit kräftigem Flügelschlag übers Wasser ziehen vibriert die Luft. Die Ähren riesiger Felder glänzen im Mittagslicht der Sonne bernsteinfarben. Feld- und Wiesenränder sind mit blühenden Holunderbüschen übersät. Der süße Duft der Blüten scheint mich zu betören. Wie eine sich über die Straße windende Blindschleiche schlängelt sich der Weg entlang des Wassers. Ich bin fasziniert von diesen Bildern. Ein Gefühl der Schwerelosigkeit überkommt mich. Ich fühle mich als Teil dieser Landschaft, losgelöst von allem, fühle mich frei. Momente reiner Glückseligkeit. Ich könnte weinen vor Glück. Es ist mit Sicherheit die schönste Radstrecke, die ich jemals gefahren bin.
Auch Dietrich Hoffmann und seine Frau Ursula aus Osnabrück sind von dieser Landschaft fasziniert. Sie stehen mit ihrem Tandemfahrrad und Gepäckwagen am Wegesrand. Ich halte an und treffe auf Gleichgesinnte. In Hohendorf im Schlosscafé werden wir uns zufällig wieder begegnen. Das Café ist an diesem Montagnachmittag geschlossen, aber Schlossherr Hubertus, Burkard, Karl-Friedrich, Eduard Heinrich Graf von Klot-Trautvetter hat Mitleid mit durstigen Kehlen. Er setzt sich zu mir an den Tisch und erzählt aus seinem Leben. Seine Familie stammt aus dem baltischen Raum und führt seit dem 11. Jahrhundert den Grafentitel. Nach der Wende hat der in Stuttgart aufgewachsene Graf sein Familienschloss für eine symbolische D-Mark zurückgekauft und renovierte mit einigen Millionen sein Familienbesitz (www.schlosshohendorf.de).