Auf dem Wiiwegli durch kleine Winzerdörfer
Badenweiler – Staufen / 30.10.2010 / 224. Tag
Abschied von Corinna und Alexander nach einem ausgiebigen Frühstück in Badenweiler. Sie haben versprochen in den nächsten Tagen mal auf einen Sprung vorbei zu kommen. Den Hausberg von Badenweiler, der Blauen, im Rücken, erwartet mich gleich zu Beginn des Tages ein steiler Anstieg. Das Bild der beiden letzten Tage wiederholt sich, als ich oben ankomme. Sonnenüberflutete Weinberge, nach Westen die Vogesen, wie mit einem Lineal entlang des Rheingrabens von Nord nach Süd gezogen.
Wir wandern durch kleine Winzerdörfer, oder tangieren sie an ihren letzten Häusern. Das Markgräfler Wiiweglis wurde vom Schwarzwaldverein 1978 offiziell eingeweiht. Damals führte das Wiiwegli von Weil am Rhein bis Staufen. Die Verlängerung nach Freiburg kam später hinzu. Den Wegewarten möchte ich an dieser Stelle ein dickes Lob aussprechen. Nicht ein einziges Mal habe ich mich auf der Strecke verlaufen. Die Beschilderung des Weges ist absolut Spitzenklasse. Ich werde sicherlich in den nächsten Jahren den Weg von Weil am Rhein nach Freiburg wieder wandern. Von den grandiosen Panoramablicken kann ich nicht genug bekommen.
Über Zunzingen, Britzingen, Laufen, Sulzburg, Ballrechten-Dettingen und Grunern komme ich am Nachmittag unterhalb der Burgruine in Staufen an. Unterwegs habe ich Hans und Karin Hanelt getroffen. Hinter Weil am Rhein hatten wir zusammen an einem Rastplatz Pause gemacht, heute Morgen haben wir uns vor Sulzburg getroffen und auf dem Marktplatz in Staufen begegnen wir uns zum dritten Mal für diese Woche. Die beiden haben ihre Grenzerfahrungen 1981 gemacht, als sie einen Ausreiseantrag aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland stellten. Nachdem sie von Görlitz endlich im Westen waren, suchten sie sich Baden Württemberg als zukünftige Wahlheimat aus. Ich will wissen warum. „Ganz einfach“, lächelt Karin, „Baden Württemberg hatte damals die niedrigste Arbeitslosenrate. Da kriegen wir bestimmt Arbeit, habe ich damals zu meinem Mann gesagt“. Die beiden haben sehr schnell Arbeit gefunden. In Lahr, in der Nähe von Offenburg, sind sie sesshaft geworden.
In einem kleinen Cafe im Schatten der Kirche sitze ich mit Emma in der Sonne und genieße der Wanderfeierabend bevor wir in unser Quartier weiterziehen.
Staufen schmückt sich gerne mit der Bezeichnung Fauststadt. In Staufen soll der von Johann Wolfgang von Goethe im Drama Faust, der Tragödie erster Teil beschriebene sagenumwobene Alchemist, Astrologe und Schwarzkünstler Dr. Johann Georg Faustus, während der Renaissance gelebt haben und gestorben sein. Dr. Johann Georg Faustus soll vom verschuldeten Burgherren Anton von Staufen als Goldmacher angestellt worden sein. Im Jahr 1539 soll Faust in seinem Zimmer im Gasthaus Löwen (am Marktplatz) bei einer Explosion, wahrscheinlich bei einem alchemistischen Experiment, ums Leben gekommen sein. Davon berichtet eine Inschrift an der Fassade des Gasthauses:
Anno 1539 ist im Leuen zu Staufen Doctor Faustus
so ein wunderbarlicher Nigromanta (Schwarzkünstler) gewesen,
elendiglich gestorben und es geht die Sage,
der obersten Teufel einer, der Mephistopheles,
den er in seinen Lebzeiten lang nur seinen
Schwager genannt, habe ihm, nachdem der
Pakt von 24 Jahren abgelaufen, das
Genick abgebrochen und seine arme
Seele der ewigen Verdammnis überantwortet
Im September 2007 wurden in Staufen sieben Bohrungen bis in 140 m Tiefe niedergebracht zur Erkundung einer möglichen Erdwärmegewinnung für das historische Rathaus. Diese führten dazu, dass sich seit Ende 2007 der historische Stadtkern von Staufen um monatlich rund einen Zentimeter hob. Ab März 2009 wurden zusätzliche Erkundungsbohrungen durchgeführt, welche die vermutete Ursache bestätigten: Die Sondierungsbohrungen hatten eine Verbindung zwischen einer Schicht mit unter hohem Druck stehendem Grundwasser und einer darüber liegenden ca. 40 m mächtigen Gipskeuperschicht geschafft. Durch die Wasseraufnahme wandelt sich das darin befindliche Anhydrit zu Gips um, was sein Volumen beim Aufquellen etwa verdoppelt. Das ganze Ausmaß der Schäden nicht nur für das erst im Jahr 2007 sanierte und besonders betroffene Rathaus wie auch für die ganze denkmalgeschützte Altstadt ist nicht absehbar. Mittlerweile (Stand Oktober 2010) sind 247 Häuser betroffen, davon 127 besonders stark beschädigte, welche regelmäßig von einem Büro für Baukonstruktionen überwacht werden.