Glück ist eine Heimat zu haben – 209. Tag

Stromschlag am Weidezaun

Birgsau – Balderschwang / 15.10.2010 / 209. Tag

Die Allgäuer Rundschau hat in ihrer gestrigen Ausgabe eines der zwölf besten „Hoimat-Versla“ veröffentlicht. Verfasst von Franz Deubele aus Rettenberg-Kranzegg im Oberallgäu:
Glück isch:
a Huimat hong
uff am Berg doba stong
an Jodlar heare
zue de Trachtlar g’höere
a guete Museg lose
a schöne Fehl liebkose
a quellfrischs Zötlar Bräu
gonz uifach z’friede sei.

Ausgeschrieben war ein Wettbewerb zum Thema Heimat in Zusammenarbeit mit dem Förderverein Mundart Allgäu zu dem 486 Vorschläge in der Redaktion eingingen.

In Birgsau, der zweitsüdlichsten Gemeinde Deutschlands, ist keine Menschenseele zu sehen, als ich mit Emma durchs Tal wandere. Auch am Freibergersee, den wir nach einem kurzen Anstieg bewundern können, herrscht absolute Ruhe. Der See auf 930 Metern Höhe ist mit 16 ha Wasserfläche der größte Allgäuer Hochgebirgssee. Der See entstand während der Eiszeiten. Bis zu 800 Meter hoch türmten sich an dieser Stelle die Eismassen des Stillachgletschers.

Nebel verdeckt weiterhin die Bergspitzen, das Herbstlaub verbreitet sich immer mehr auf den Waldwegen. Wir wandern ein Stück entlang des Sees, ehe wir in Nordwestlicher Richtung weiterziehen. In Kornau frage ich nach Weg Richtung Rohrmoos. Ich verpasse eine Abzweigung, will abkürzen, um nicht zurückgehen zu müssen. Völlig unvermutet trifft mich ein Stromschlag vom Weidezaun, als ich versuche mich unter ihm hindurch zu bücken. Mein Kopf ist im Weg, der Stromschlag haut mich hin. Als das Geläut der Kuhglocken lauter wird und Emma an der Leine zieht, berappele ich mich um aufzustehen. Mein Blick fällt in wunderschöne braune Augen, umgeben von hellgrauem Fell. Aber nicht ich bin das Objekt der Kuhbegierde sondern Emma. Emma traut sich, der Allgäuer Bergkuh tief in die Augen zu blicken. Hundeschnauze an Kuhschnauze.
Auf einer Bank in der Nähe machen wir Rast. Mein Schädel brummt noch. Wir müssen trotzdem weiter. Nach Rohrmoos gelangt man nur über eine Mautstraße, die sich vier Kilometer durchs Tal nach oben schlängelt. Ob die Maut auch für Wanderer gilt?

Am Ende des Tales erreichen wir Rohrmoos zur Mittagszeit. Die Holzkapelle St. Anna ist bereits 1568 an dieser Stelle erbaut worden und ist die älteste Holzkapelle Europas. Die Holzmalereien von 1587 sind einzigartig in ihrer Art in Bayern. Seit 1587 steht auch der Berggasthof Rohrmoos auf 1070 Meter Höhe im Rohrmoosertal am Fuß der Gottesackerwände.
In der Gaststube finden wir einen Platz direkt neben dem Kachelofen. Die deftigen Käsespätzle schmecken vorzüglich. Ich sitze mit Emma in der „Prominentenecke“. Fritz Walter saß schon hier, Marika Kilius, Georg Thoma, Markus Merk, Hilde Gerg, Irene Epple, Martin Schmitt und Ronny Ackermann, um nur einige zu nennen.

Eigentlich war geplant, hier meinen heutigen Wandertag zu beenden. Da die Wetterprognosen für die nächsten Tage Regen und sogar Schnee ankündigen, entschließe ich mich, mit Emma noch weiter Richtung Balderschwang zu wandern. Die Schneefallgrenze soll am Wochenende auf 800 Meter sinken. Emma würde sich über Schnee freuen, ich weniger.
Morgen werden wir nach über zwei Monaten Wanderzeit Bayern Richtung Österreich verlassen, um am Sonntag den Bodensee zu erreichen.

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