Wo der Hunsrück die Eifel küsst
Zwischen Ediger-Eller und Bremm erstreckt sich der Südhang des Calmonts 290 Meter hoch über der Mosel auf einer Länge von zwei Kilometern. Steile, schroffe Schieferfelsen unterteilen die Rebflächen in kleine Parzellen. Die längs zum steilen Hang verlaufenden hohen Schiefermauern sichern die feinverwitterten Tonschieferböden vor dem Abrutschen und prägen das Bild des Terrassenweinbaus in Europas steilstem Weinberg. Seit 2002 können Wanderfreunde und Kletterkünstler im Calmont Klettersteig ihre Kondition, Schwindelfreiheit und Trittsicherheit testen. Mit Hilfe des Deutschen Alpenvereins wurde die Strecke durch Stahlseile, Leitern sowie zahlreiche Trittbügel und Trittstifte gesichert.

Moselschleife unterhalb des Calmot mit Blick über die extrem steilen Weinberge, die Klosterruine Stuben und den Winzerort Bremm
Gemeinsam mit meinem Sohn Benjamin und meinem 10jährigen Enkel Philip starte ich zur Wanderung über den Calmont Klettersteig am Wanderparkplatz am Ortsrand von Eller in der der Nähe des Bahnhofs. Direkt hinter der Eisenbahnbrücke, die wir unterqueren, liegt der Einstieg zum gut ausgeschilderten Klettersteig, der in verschiedenen Variationen bewältigt werden kann.
Bereits 1989 hatte das Calmont-Projekt begonnen: der bis zu 68 Grad steile Schieferberg, knapp 20 Kilometer von Cochem entfernt, war in kleine und kleinste Parzellierungen unterteilt. Viele Rebflächen lagen brach. Die brachliegenden Flächen wurden rekultiviert und mit Rebstöcken neu bepflanzt. Nach intensiven Recherchen hatte man die Besitzverhältnisse geklärt und eine effektive Flächenzusammenlegung bewirkt.
Über kleine Zahnradbahnen, so genannte Monorackbahnen, erreichen die Winzer von der Moselstraße aus die Rebstöcke im steilen Hang.Parallel zu Schienenstrang der Eisenbahnlinie steigt ein schmaler, steiniger Pfad nach oben. Bereits nach der ersten scharfen Kehre wird es steiler, der Pfad schlängelt sich in unzähligen Kurven nach oben. Mal laufen wir über lose, kleine Gesteinsbrocken, dann über weichen Untergrund im Weinberg oder müssen schroffes Felsgestein überwinden. Der ständige Wechsel des Untergrunds erfordert permanente Aufmerksamkeit zumal auch an etlichen Stellen Wurzelwerk den Weg kreuzt.
An extrem steilen Passagen wurden Tritthilfen in den Fels getrieben, an anderen Stellen helfen im Fels verankerte Metallleitern oder Stahlseile, an denen man sich am Fels entlang hangeln kann. Ein Abenteuer, das vor allem meinen Enkel Philip, in luftiger Höhe besonders viel Spaß bereitet.
Nachdem wir die ersten Höhenmeter geschafft haben lockt uns der Hinweis „Todesangst“. Wir verlassen die Hauptroute, um uns den Felsvorsprung, der als Todesangst bezeichnet wird, näher anzusehen. Ein idealer Platz, um hoch über dem Moseltal eine Verschnaufpause einzulegen.
An heißen Sommertagen, wenn das Schiefergestein intensiv von der Sonne aufgeheizt wird, sind schon Temperaturen von über 50 Grad gemessen worden. Deshalb ist es ratsam im Sommer frühzeitig in den Berg zu steigen und genügend Flüssigkeit im Rucksack mitzunehmen.
Je höher wir kommen umso deutlicher wird auf der anderen Moselseite die Klosterruine Stuben sichtbar. Von weitem wirkt die Ruine des ehemaligen adligen Nonnenklosters auf der Halbinsel gegenüber von Bremm wie ein auf Sand gestrandetes Schiffswrack.
1137 hatte sich auf der Landzunge ein großer Frauenkonvent niedergelassen. Der Trierer Erzbischof Albero beschränkte die Anzahl der Bewohner in seiner Gründungsbestätigung auf 100 Frauen.
In ihrem historischen Roman »Die Frauen von Stuben« beschreibt Josefine Wittenbecher die authentische Geschichte der Maria Theresia von Sohlern, die von ihrer Familie ins Kloster Stuben abgeschoben wird. In einem Zeitporträt beleuchtet die Autorin den Verfall der Sitten in den Klöstern Stuben und Springiersbach im ausgehenden 18. Jahrhundert.
An den extrem steilen Passagen muss ich hin und wieder eine Verschnaufpause einlegen, während Philip und sein Vater im Aufstieg meinen Blicken entschwinden.
Wir durchwandern Kaulen, in denen im steilen Hang die Rebstöcke angepflanzt wurden. Wellenförmig durchziehen die Kaulen die Hanglagen, selbst zwischen die einzelnen Rebstockreihen fällt der Hang extrem nach unten. Mit normalem Schuhwerk würde man zwischen dem losen Schiefplättchen kaum Halt finden. Hier wird der Winzer im wahrsten Sinne des Wortes zum Bergsteiger.
Eidechsen flitzen zwischen den warmen Schieferritzen hin und her. Philip zählt unzählige an diesem warmen Frühlingstag. Als wir uns im ScheiStrecke:tel der Moselschleife befinden verlassen wir den Weg Richtung Bremm. Wir wollen zum Gipfelkreuz. Der letzte Teil des Anstiegs ist besonders steil.
Das Gipfelkreuz steht hoch über Bremm, weit über der engsten Moselkehre des gesamten Flusslaufs. Die extrem steile Schieferfelsformation des Calmonts versperrt den Blick zur engen Moselkehre. Wir stehen hoch über dem steilsten Weinberg Europas, sehen tatsächlich die enge Kehre der Mosel nicht, die die beiden Mittelgebirgslandschaften Hunsrück und Eifel trennt. Mir scheint es, als wolle der Hunsrück die Eifel küssen.
Nach ausgiebiger Rast und traumhaften Ausblicken über die bewaldeten Höhenzüge des Hunsrücks, wandern wir über den Calmont-Höhenweg zurück zum Ausgangpunkt nach Eller.
Tour kompakt:
Anspruch: mittel bis schwer
Strecke: Klettersteig 3,5 km, Rückweg über den Höhenweg zusätzlich 2,5 km
Charakteristik: Steile Kletterpartien, über schroffes Felsgestein in schwindelerregender Höhe. Die schwierigen Passagen sind über Trittleiter, Steighilfen oder mit Hilfe von Stahlseilen zu überwinden. Der Klettersteig führt über fast ausnahmslos schmale Pfade bis zum Gipfelkreuz. Über den Höhenweg geht es Richtung Eller zügig zurück.
Höhendifferenz: ca. 250 Meter
Gehzeit: 3-4 Stunden
Wegmarkierung: stilisierte Klosterruine Stuben in brauner Farbe, umgeben von grünen Höhenzügen
Startpunkt: Wanderparkplatz an er Mosel in Eller, unmittelbar vor der Eisenbahnbrücke
Anfahrt mit dem Auto: A1 von Saarbrücken über Schweich bis Wittlich. Dort weiter über die B49 nach Bausendorf und weiter bis Alf an der Mosel. Weiter entlang der Mosel (B49) bis Ediger-Eller (Fahrzeit von Saarbrücken cirka 1:40 Stunde).
Parken: Wanderparkplatz in Eller
Anfahrt mit Bahn oder Bus: Von Koblenz oder Trier mit der Regionalbahn bis Ediger-Eller. Nur wenige Meter vom Bahnhof entfernt befindet sich der Einstieg zum Klettersteig. Von Cochem oder Bullay besteht die Möglichkeit mit dem „Calmont-Express“ (Buslinie 711) bis Ediger-Eller oder Bremm zu fahren.
Einkehren: am Klettersteig gibt es keine Einkehrmöglichkeit. Am Gipfelkreuz ist an Wochenenden eine Vesperhütte geöffnet. Beim Rückweg – ob über Bremm oder Ediger-Eller – finden sich viele Lokale und Restaurants in den Moselgemeinden.Weitere Informationen: www.calmont-region.de
Nachzulesen auch im Wochenmagazin FORUM 30. Juni 2017