1. Tag – Wo sich die Grenze im Feld verliert

Von meiner Unterkunft haben wir schnell die Neutrale Straße und damit auch die Grenze erreicht. Mein GPS-Gerät navigiert mich durchs Dorf. Am Ende der Bebauung weht auf der rechten Seite die Fahne der Bundesrepublik Deutschland auf der linken Seite die von Frankreich. An den Feld- und Wiesenrainen wächst die weiß blühende, wilde Möhre, ab und an rote Farbtupfer von Klatschmohn.

Einige Kilometer folgen wir dem Wanderweg „Grenzblickweg. Als ich im vergangenen Herbst den Weg mit einigen Freunden wanderte, sahen wir viele Grenzsteine links und rechts der geteerten Straße und auch später entlang des Feldwegs. Heute zeigt sich kein einziger Grenzstern auf den ersten Blick, zugewachsen vom Gras der Wiesen, den Feldfrüchten oder überwuchert von Brenneseln und Holunderbüschen.

Wenn man seinen Weg verlässt ändern sich die Perspektiven. Altes Bauernhaus in Guerstling

Lerchen steigen in die Luft – es ist einsam im Grenzgebiet. Aussichten ins offene Land in jeder Blickachse und in jede Himmelsrichtung, ein Fest für Seele und Geist. Die Landschaft berauscht, nirgendwo ist eine Menschenseele zu sehen, wir wandern durch eine ausgedehnte Feldflur. Den mit weißen Muschelkalksteinen übersäten Feldweg müssen wir verlassen. Mein GPS-Gerät, das die gesamte Grenzlinie gespeichert hat, zeigt es unmissverständlich an, die Grenzlinie verläuft nach rechts mitten durchs bestellte Feld. Die Rapsfrucht ist über einen Meter hoch gewachsen. Im Nachbarfeld haben es die Weizenhalme fast genauso hoch geschafft. Ich hatte mir für mein Grenzprojekt vorgenommen – mit Ausnahme von Blies und Saar – immer und überall auf der Grenzlinie unterwegs zu sein. Aber  hier ist kein durch kommen. Bereits am ersten Tag meiner Grenzwanderung muss ich meinen Plan ändern. Wir bleiben auf dem Feldweg, der uns Richtung Guerstling bringt.

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