Menschen für die Grenzen keine Bedeutung haben – 226. Tag

Ruhetag in Breisach / 01.11.2010 / 226. Tag

Die Europastadt Breisach am Rhein war nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu 85 Prozent zerstört. Bereits 1950 forderte die „Europa-Bewegung“ die Bevölkerung auf, sich für ein zukünftiges grenzüberschreitendes Europa zu entscheiden. Die Wahlbeteiligung lag bei 87 Prozent. 96 Prozent der Bevölkerung entschieden sich damals schon für ein freies Europa.

Im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft und als Brückenschlag im Herzen Europas verschwisterte sich Breisach 1960 mit Saint-Louis und 2000 mit Neuf-Brisach. Zum 50igsten Jahrestag der Breisacher Europa-Abstimmung schuf der in Breisach ansässige Künstler Helmut Lutz eine Skulptur aus griechischem Marmor und Bronze, die aus dem Münsterplatz enthüllt wurde. Die griechische Mythologie erzählt von Zeus und seiner Verwandlung in einen Stier, der auf seinem Rücken die Königstochter Europa nach dem nach ihr benannten Europa vom Orient zum Okzident trägt. Gleich den Fluten des Meeres in der Mythologie durchbricht der Stier den Pflasterboden vor dem Breisacher Münster. Die Gestalt ist dem Stier von Knossos angelehnt. Dem Aufbrechen in ein neues Europa entspricht Hand und Fuß, gehen und handeln. Das Dreieck ist das Zeichen der Region hier im Herzen Europas.

Am Eckartsberg folge ich dem „Weg der Lyrik“. Auf dem sagenumwobenen Berg befand sich im frühen Mittelalter die Burg des „Getreuen Eckart“. Bis ins 18.Jahrhundert war die Burganlage geprägt von unterirdischen Kasematten und Kasernen. Seit dem 19. Jahrhundert gehört der Eckartsberg zu den berühmten Weinlagen der Region. Rund um den Weinberg finden sich Lyrik und Zitate zu den Themenbereichen Breisach und der Rhein, Grenze und Europa, Krieg und Geschichte, Jahreszeiten und Wein.

Während meines Spaziergangs rund um den Eckartsberg finde ich ein Zitat von Richard von Weizsäcker (Bundespräsident von 1984 – 1994). „Nicht ein Europa der Mauern kann sich über Grenzen hinweg versöhnen, sondern ein Kontinent, der seinen Grenzen das Trennende nimmt“.

Peppi und Biljana aus Bulgarien

Oben auf dem Berg bietet sich ein phantastischer Rundumblick. Im Westen die Vogesen mit Grand Ballon (1424 m), Petit Ballon (1272 m), Hohneck 1362 m) und Col de la Schlucht (1139 m). Im Osten der Kaiserstuhl sowie der Schwarzwald mit Kandel (1242 m) und dem Schauinsland (1284 m).

Während des Spaziergangs durch Breisach treffe ich Menschen, für die Grenzen keine Bedeutung haben. Ein Ehepaar aus Krozingen, das nach dem Verkauf ihres Geschäfts eine achtmonatige Rucksackreise rund um die Welt angetreten hat. Die aus Ungarn stammende Katalin David, die vor zwei Tagen von Freiburg nach Breisach umgesiedelt ist. Für sie existieren keine Grenzen mehr. Internet, so sagt sie, lässt uns weltweit, grenzenlos surfen. Peppi und Biljana aus Bulgarien treffe ich am Münsterplatz. Die beiden Frauen leben mit ihren Männern in Bonn. Gerade kommen sie von einem Kurzurlaub aus der Schweiz zurück.

Den Abend verbringe ich mir Freunden. Anne und Rüdiger sind aus dem Hunsrück angereist. Rüdiger wird mich während der kommenden drei Tage begleiten. Corina und Alexander aus Badenweiler, bei denen habe ich vor wenigen Tagen zu Gast war, sind ebenfalls nach Breisach gekommen. Wir sitzen gemeinsam beim Italiener unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze.

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